CD des Monats Januar 2023: Elder – Innate Passage

Die meisten Yes-Klone klingen mehr nach Roundabout als nach Gates of Delirium. Das kann man von Elder nicht behaupten. Die traumhaften Melodien sind auch hier vorhanden. Aber die Wildheit eben auch. Die Reflections of a floating World aus 2017 bleibt zwar unerreicht, aber man ist nah dran. Und wer es melodischer mag, wird hier sogar besser bedient. Die „Reflections“ war härter, wilder und vor allem stoner. Bei der neuen Scheibe muss man auf die Explosionen warten, was nicht heißt, dass sie nicht kommen. Die Scheibe beinhaltet zu 70 % Yes, was auch beim Gesang auffällt (armer Pepper). Die anderen 30 % würde ich bei Dream Theater oder auch, in den ruhigen Phasen, bei Riverside verorten.

Die Songs haben alle eine Länge von etwa 10 Minuten und Merged in Dreams kratzt sogar an der 15 Minutenmarke. Das zeigt schon, wohin die Reise geht. Prog und Psychedelic verlangen direkt nach dem Rauch, mit dem die Welt bunter wird. Und bei all dem Gequatsche unserer Führer, welches diese graue Welt nur noch grauer erscheinen lässt, sehnen wir uns gerade nach bunten Lichtblicken wie Elder. Zumindest wir Progger.

Die einen mögen das als retro bezeichnen, die anderen als Vintage, aber letztendlich stehen diese Begriffe nur für „früher war alles besser“, was zumindest für Backwaren und Musik zutrifft. 15 fette Punkte und damit Topalbumanwärter. Warum nur 15? Mir fehlt es vor allem an Wiedererkennungsmerkmalen. Das hat zwar den Vorteil, dass man gefühlt auch nach dem fünften Hören meint, dass man das noch nie gehört hat. Aber hört vergleichsweise Gates of Delirium, Awaken oder Close to the Edge. Diese Songs brennen sich schon nach dem ersten Hören in den Hirnkasten.

Und was gab es noch die letzten Wochen?

Lee Aaron mit Elevate überrascht mit dem Song Spitfire Woman. Mehr Songs davon bitte. Ansonsten alles aber wie gewohnt im rockigen Bereich. Wegen der „Giftspritze“ 12 Punkte.

Leather (Leone), Chastain-Sängerin, mit We are the Chosen ist astreiner Metal mit einer Rockröhre wie bei Sanhedrin. Vielleicht sollte man besser schreiben, Sanhedrin hat eine Rockröhre wie Leather Leone. Schnörkelloser Metal, da geht die Post ab. 14 Punkte.

Autograph haben mit Beyond auch eine neue Scheibe am Start. Das One-Hit-Wonder hatte mit Turn up the Radio einen Riesenhit, das es sogar in unsere Topsongliste geschafft hat. Aber irgendwie ist das alles Material, das ich schon tausendmal gehört habe. Bei weitem nicht schlecht, aber vorhersehbarer Hardrock a la Def Leppard. 10 Punkte.

Crashdiet-Automaton ist für mich krachender Stadion-Metal. Was für Hymnen. Anspieltipp ist Shine On. In unserer Topsongliste ist Thrill Me enthalten. Wer da nicht zuckt ist selber schuld. 14 Punkte.

Steelwings mit Still Rising spielen melodischen Metal und klingen dabei wie Saxon. Sogar der Sänger klingt so. Anspieltipp: Break of day. 12 Punkte.

Wolfskull-Ave Goddess hat den Soundcheck im Metal Hammer gewonnen. Immerhin! Traditioneller Metal trifft den Sänger von The Cult oder auch Him. Aber je länger die Scheibe läuft, desto mehr entsteht Langeweile. Anspieltipp: Nocturnal Blue. 14 Punkte.

Ach ja, und die Irish-Folkrocker von Fiddler’s Green haben, passend zur Jahreszeit, eine Scheibe mit Weihnachtsliedern rausgebracht. Erwähnenswert ist da nur White Christmas, der Rest ist eher zum einschlafen. 10 Punkte.

Auch Pretty Reckless haben mit Other Worlds eine neue Scheibe. Manche mögen behaupten, dass das innovativ ist. Für mich ist das pure Langeweile. Stell dir eine Scorpions Scheibe vor -die Klasse der Scorpions haben Pretty Reckless natürlich nicht- voll mit Balladen. Allein der Gedanke begeistert dich? Dann hör mal rein. 8 Punkte.

Zum Abschluss doch noch ein Schmankerl, zumindest auf dem Papier. Vinnie Moore haut mit Double Exposure ein weiteres Solowerk raus, nachdem sein Hauptarbeitgeber UFO in Rente gegangen ist. Dieser geniale Gitarrist hatte 1986 mit Mind’s Eye die Welt, besonders mich, erfreut. Fans von Scheiben ohne Gesang werden damit ihre Freude haben. Mit der neuen Scheibe versucht Vinnie den Inhalt von zwei Schubladen in einer unterzubringen. Das Problem dabei ist, dass der Inhalt nicht in eine Schublade reinpasst. Die erste Hälfte der Songs mit Gesang klingt etwas nach Leslie West. In der zweiten Hälfte ohne Gesang zeigt Vinnie sein ganzes Können an den Saiten. Leider haut mich das Songmaterial nicht vom Hocker. Weniger wäre mehr gewesen, soll heißen, lieber eine komplett instrumentelle Scheibe und eine separate Scheibe mit bluesigen Hardrocksongs. Aber trotzdem: 13 Punkte.

Happy new year! Rüdiger

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