CD des Monats April 2023: Collage – Over And Out
Collage ist wie eine Zeitreise in eine bessere Zeit. Anfang der Achtziger gab es kein Tschernobyl, kein Aids, kein Corona und auch Kriege in Europa waren eher Panikmache als Realität. Das Schlimmste Anfang der Achtziger war tatsächlich das Ende des Siebziger Progs und die Tatsache, dass ich beim Pokern zu oft verloren habe :-). Die Drama von Yes war 1980 sozusagen der Abschlussakkord einer grandiosen Ära. Lichtblicke gab es Anfang der Achtziger schon, als eine Band namens Marillion versuchte, so eine Art Neo Prog aus der Wiege zu heben. Und das ist Marillion mit Werken wie Script For A Chester’s Tear, Fugazi und Misplaced Childhood sensationell gelungen. Und was hat das mit Collage zu tun?
Diese polnische Band schreibt mit Over And Out genau die Geschichte fort, die Marillion Mitte der Achtziger, nach dem Weggang von Fish, nicht fortgesetzt haben. Funfact: Steve Rothery, das Marillion Mastermind seit 1979, mischt hier mit. Da stellt sich mir glatt die Frage, warum es in der Post Fish-Ära keine solche Scheibe von Marillion gegeben hat………… obwohl die Marbles ganz nett war. Aber „nett“ ist bei bösen Menschen die Schwester von……….
Der Opener, mit seinen fast 22 Minuten, wird trotz der Länge nie langweilig. In What About The Pain gibt es einen Pink Floyd – Kinderchor, der den Song stilistisch prägt. One Empty Hand ist eine gelungene Ballade, während der 13-Minüter A Moment A Feeling für mich der beste Song des Albums ist. Zunächst startet der Song mit einem „Highlander“ – Intro und ich sehe die Highlands, Heather, Connor und den bösen Kurgan. Der Song hat alles, was Gabriels Genesis und Marillion groß gemacht haben. Wenn Fans dieser Gruppen hier „nein“ sagen, dann weiß ich auch nicht.
Man In The Middle, der heimliche Hit der Scheibe, und immerhin Platz 4 unserer Charts, beschließt das Album.
Allerdings fehlen mir an manchen Stellen „Motorpsycho-Momente“, kreative Blitze, die das Album in den absoluten Olymp hieven. Von dem Sänger Bartosz Kossowicz würde ich mir wünschen, dass er mehr flüstert, wimmert, beschwört, schreit und fleht, eben mehr Theatralik, wie einst Mastermind Peter Gabriel.
Insgesamt ein gelungenes Album, das, zumindest vorläufig, einen Platz in unserer Topalbenliste verdient hat. 16 Punkte vom Rüdiger, und unfassbare 20 Punkte vom Pepper.
Und was gab es noch:
Steel Panther mit On The Prowl: Pussy-Glam-Metal, der sich langsam abnutzt. Anspieltipp: Friends With Benefits. 11 Punkte.
Siena Root – Revelation: Sozusagen die Retro-Opas. Wie immer nicht schlecht, aber das Songwriting könnte besser sein. Anspieltipp: Dusty Roads. 12 Punkte.
Enslaved – Heimdal: Progressiver Blackmetal, der mir viel besser gefallen würde, wenn die keifenden Vox nicht wären. Testsieger hin, Testsieger her, das brauch ich kein zweites Mal. 10 Punkte.
RPWL – Crime Scene: Die klingen doch wie Pink Floyd. Das ist das Erste, was einem bei den deutschen Pink Floyd einfällt. Das Zweite ist dann aber: Wie Pink Floyd, aber nicht so gut. Der Gesang ist im Vergleich zu Pink Floyd zu glatt. Aber durchaus hörenswert für Siebziger-Progger, die sich nicht mehr aufregen dürfen. 13 Punkte.
The Answer – Sundowners: The Answer sind seit 23 Jahren im Rockgeschäft unterwegs, aber so richtig kennt die keiner. Daran wird auch die neue Scheibe nichts ändern, obwohl dieser Hardrock mit bluesigen Einflüssen durchaus an die legendären Free oder die Black Crowes erinnern. Am Songwriting liegt es auch nicht, aber es reicht noch nicht einmal zum Testsieger bei uns. 14 Punkte
Haken – Fauna: Während andere Plattformen jubeln, zündet diese Scheibe bei mir nicht. Man sollte zumindest progaffin sein, um sich das Teil reinzuziehen. Ich meine, dass die Jungs Gentle Giant Fans sind, ohne deren Klasse zu erreichen. Und härter als Gentle Giant sind die schon, aber Härte allein genügt nicht. Ein oeeeo erinnert an die Prinzen, was bei manchen Proggern einen Brechreiz auslösen könnte. Obwohl das nicht allzu positiv klingt, soll mir das 10 Punkte wert sein.
Und im nächsten Monat freuen wir uns auf Night Demon.
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